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Grazer Marienhütte bringt Stein ins Rollen

Einst von den Naturschotterherstellern aufgrund von Umweltbedenken gescholten, rückt Kunstgestein aufgrund von Forschungsergebnissen zurück in den Mittelpunkt: Denn vor allem im Hinblick auf notwendige CO2-Reduktionen verspricht das Stahlnebenprodukt eine deutliche Entlastung der Umwelt – und öffentlicher Budgets. Das Grazer Stahl- und Walzwerk Marienhütte produziert jährlich 72.000 Tonnen von derartigem „Hüttenschotter“ – und ortet im Rahmen einer Fachkonferenz akuten Handlungsbedarf der öffentlichen Hand.

Das Grazer Stahl- und Walzwerk Marienhütte versorgt die österreichische Bauwirtschaft und das benachbarte Ausland pro Jahr mit rund 410.000 Tonnen stab- und ringförmigem Betonstahl. Dabei fallen 72.000 Tonnen Hüttenschotter an.

Dieser entsteht im Zuge des Stahlrecyclings im Elektrolichtbogenofen. Über Jahrzehnte diente sie als günstiger Ersatz für Schotter im Straßenbau, bis vor rund zehn Jahren Umweltschutzbedenken geäußert wurden. Umweltschützer, Schotterwerksbetreiber und Stahlindustrie rangen öffentlich um die Frage, ob Kunstgestein als Nebenprodukt des Stahlerzeugungsprozesses für den Straßenbau eingesetzt werden dürfte – oder eben nicht.

Marienhütte-Geschäftsführer Markus Ritter akuten Handlungsbedarf der öffentlichen Hand und fordert ob der ökologischen und wirtschaftlichen Vorteile den bevorzugten Einsatz von „Hüttenschotter“ im Straßenbau. (Foto: Mathias Kniepeiss)

Vom ‚Hüttenschotter‘ gehen keinerlei andere Gefahren als vom Naturschotter aus. Dies wurde auch mehrmals höchstgerichtlich bestätigt.

Markus Ritter, Marienhütte

Während Natursteinproduzenten und Schotterindustrie-Vertreter Umweltbedenken artikulierten, orteten die Stahlproduzenten eine konkurrenzbedingte Negativ-Kampagne gegen ihren Schotter.

Auch der „Hüttenschotter“ des Grazer Stahl- und Walzwerks Marienhütte wurde in den Konflikt hineingezogen und „in unzähligen Verfahren von Freund und Feind auf Herz und Nieren geprüft“, erklärt Marienhütte-Geschäftsführer Markus Ritter. Übereinstimmendes Ergebnis sämtlicher Untersuchungen: „Vom ‚Hüttenschotter‘ gehen keinerlei andere Gefahren als vom Naturschotter aus. Dies wurde auch mehrmals höchstgerichtlich bestätigt“, sagt Ritter.

Aufgrund der eindeutigen Sach- und Rechtslage könne Hüttenschotter zwar formal restriktionslos für den Straßenbau eingesetzt werden, „dennoch hat sich das Image dieses Kunstgesteins noch immer nicht erholt“, beklagt der Geschäftsführer. Die Folge laut Ritter: „Gerade große öffentliche Bauherren meiden unseren Hüttenschotter.“

„Hüttenschotter in Ressourcenschonung überlegen“

„Dabei“, erklärt der Entscheidungsträger des Grazer Betonstahlproduzenten, „bestätigen sämtliche Gutachten, dass Kunst- dem Naturstein in CO2-Fußabdruck und Ressourcenschonung sogar überlegen ist. Unser Hüttenschotter verfügt selbstverständlich über sämtliche Zertifizierungen – die öffentliche Hand scheut ob der haltlosen Vorwürfe das Produkt allerdings nach wie vor. Dadurch werden ökologische Ressourcen vergeudet, dem Steuerzahler entstehen aus nicht nachvollziehbaren Gründen gewaltige Kosten.“

Wir waren lange genug mit der Verteidigung unseres Nebenprodukts ‚Hüttenschotter‘ beschäftigt, wir wollen nun faktenbasiert Klarheit schaffen.

Markus Ritter, Marienhütte

Damit soll nun Schluss sein, fordert die Marienhütte im Zuge einer Fachkonferenz in Graz mit prominenten Beteiligten aus Wirtschaft und Wissenschaft. „Wir waren lange genug mit der Verteidigung unseres Nebenprodukts ‚Hüttenschotter‘ beschäftigt, wollen nun faktenbasiert Klarheit schaffen“, sagt Ritter, der in der Nutzung des Hüttenschotters auch „einen wertvollen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft“ ortet.

Hüttenschotter ist in allen untersuchten Kategorien nachhaltiger als der Naturstein.

Franz Prettenthaler, Joanneum Research-LIFE

Einsparungen von bis 320 Tonnen CO2

Das 300-köpfige Unternehmen beruft sich dabei auch auf neue Ergebnisse einer aktuellen Überprüfung von Joanneum Research: Die zweitgrößte außeruniversitäre Forschungseinrichtung Österreichs hat die ökologischen und volkswirtschaftlichen Folgen der Nutzung von Hüttenschotter im Straßenbau unter die Lupe genommen. Zentrales Fazit der 70-seitigen Beurteilung: „‘Hüttenschotter‘ ist in allen untersuchten Kategorien nachhaltiger als der Naturstein“, erklärt Franz Prettenthaler, Institutsdirektor von Joanneum Research-LIFE.

Zusammen mit Kalk, Kohlenstoff, Sauerstoff und elektrischer Energie wird Eisenschrott in hohem Tempo in Lichtbogenöfen eingeschmoolzen. Ein Nebenprodukt dieses Vorgangs ist das Kunstgestein „Hüttenschotter“. (Foto: Mathias Kniepeiss)

Heißt laut Forschungsbericht: Sowohl Treibhauspotenziale, Primärenergieverbrauch und Ressourcenbedarf werden durch den Einsatz von Kunstgestein – im Vergleich zu Naturschotter – reduziert.

Sogar maßgeblich, wie Projektleiter Martin Beermann von Joanneum Research-LIFE bestätigt: „Die Nutzung von 72.500 Tonnen Kunstgestein-Material für den Straßenbau pro Jahr führt – im Vergleich zu Schlackendeponierung und Nutzung von Naturschotter für den Straßenbau – zu einer jährlichen Reduktion von 225 bis 320 Tonnen CO2-Äquivalent.“

Das entspricht etwa dem jährlichen CO2-Ausstoß von 200 Pendlern, die täglich 40 Kilometer zurücklegen. Neben den CO2-Emissionen könnte auch der Primärenergieverbrauch drastisch durch den Einsatz des Hüttenschotters reduziert werden: Bezogen auf eine Tonne Hüttenschotter liegt die Reduktion zwischen 12,4 und 13,8 Kilowattstunden.

Wertschöpfungsplus in Millionenhöhe

Doch nicht nur die Umwelt würde geschont werden, heißt es im Bericht weiter, auch der volkswirtschaftliche Nutzen sei groß: „Den Unternehmen entstehen bei einer Verwertung des Kunstgesteins Kostenersparnisse im Ausmaß von 88 Prozent im Vergleich zu einer Deponierung.

Fließt diese Kostenersparnis in Investitionen, können Wertschöpfung und Arbeitsplätze ausgebaut werden“, bestätigt Michael Kernitzky von Joanneum Research-LIFE. Nur als Anhaltspunkt: Pro tausend Tonnen genutzter Kunstgesteine  erhöht sich die Wertschöpfung um 41.600 Euro.

Die öffentliche Hand muss angesichts derartiger Fakten reagieren und Kunstgestein für Bauvorhaben, die mit Steuergeldern finanziert werden, sogar priorisieren.

Markus Ritter, Marienhütte

Pro Jahr – rechnet Kernitzky hoch – würde man die österreichische Wertschöpfung allein bei Nutzung der ‚Hüttenschotter‘ der Marienhütte um rund drei Millionen Euro erhöhen. „Die öffentliche Hand muss angesichts derartiger Fakten reagieren und Kunstgestein für Bauvorhaben, die mit Steuergeldern finanziert werden, sogar priorisieren“, fordert der Marienhütte-Geschäftsführer Ritter. Derzeit würde in öffentlichen Aufträgen Hüttenschotter oft gemieden werden, „ohne nachvollziehbare Gründe“, wie Ritter bekräftigt.

Hier gelangen Sie zur Homepage der Marienhütte.

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