Im „Creator’s Co-Lab“ der AVL tüfteln A1, Infineon, Siemens Energy und weitere Top-Unternehmen an gemeinsamen Innovationen – von vernetzten Heimspeichern bis zu digitalen Produktpässen. In Graz entsteht so ein neues Modell für industrielle Zusammenarbeit – woran die heimischen Marktführer gemeinsam arbeiten.
GRAZ. Die Herausforderungen der Zukunft lassen sich nicht alleine lösen – sie erfordern Zusammenarbeit über Branchengrenzen hinweg: Diesem Credo folgt man im von der AVL initiierten Creator’s Co-Lab, wo führende Unternehmen wie A1, Infineon, KEBA, Siemens Energy, Pierer Innovation und die Raiffeisenlandesbank Oberösterreich gemeinsam an wegweisenden Technologien arbeiten.
„Mit dem Co-Lab schaffen wir eine Plattform, die es ermöglicht, knifflige, gesellschaftsrelevante Herausforderungen anzugehen – Themen, die uns alle betreffen, aber die keiner allein lösen kann. Wir bringen Unternehmen zusammen, die mit der gleichen Geschwindigkeit und Motivation echte Innovationen vorantreiben wollen. Es geht darum, start-up-artige Methoden in bestehende Business-Systeme zu integrieren und durch enge Zusammenarbeit ein tieferes Verständnis füreinander zu entwickeln“, erklärt Georg List, Vice President Corporate Strategy der AVL.

Er betont: „Im Co-Lab geben wir innovativen Ideen gezielt Reibung, um einen echten Vorwärtsdrall zu erzeugen. Wir wollen über Branchengrenzen hinweg zusammenarbeiten, neue Geschäftspotenziale erschließen und ein Innovationskonzept entwickeln, das es Unternehmen ermöglicht, trotz unterschiedlicher Business-Cycles schnell ins Handeln zu kommen.“
Heimspeicher mit Zugang zur Energiebörse
Die AVL agiert dabei einerseits als Innovations-Hub, andererseits auch als aktiver Partner: „Wir wollen mit unserem Know-how und unserer Infrastruktur als Plattform für bahnbrechende Innovationen agieren und andere Unternehmen dabei unterstützen, ihre Ideen zur Marktreife zu bringen. Das ist der Kern unserer Mission“, sagt Sebastian Jagsch, Leiter der AVL-Initiative „Creator’s Expedition“.
Die nun präsentierten Ergebnisse des bereits zweiten Durchgangs der Innovationsschmiede gleichen einem Blick in die Zukunft – bestes Beispiel: „Crowd Energy“. Mit dem System können Haushalte überschüssigen Strom nicht nur für den Eigenverbrauch speichern, sondern ihn auch gezielt dann ins Netz einspeisen, wenn er besonders gefragt ist. Das Herzstück ist ein 10-Kilowattstunden-Heimspeicher, der sich flexibel ins bestehende Energiesystem integriert. Soweit, so bekannt – von anderen Produkten.
Der entscheidende Vorteil von „Crowd Energy“ liegt allerdings in der Menge: Sobald sich 400 Haushalte vernetzen, wird das System zu einer aktiven Einheit am Energiemarkt. „Die verknüpften Speicher arbeiten dann wie ein intelligenter Schwarm – sie liefern Strom genau dann ins Netz, wenn der Bedarf hoch ist, und speichern günstigen Strom, wenn zu viel davon vorhanden ist. Das bringt gleich mehrere Vorteile: Die Teilnehmer können ihre Energiekosten optimieren, die Netzstabilität erhöhen und sogar zusätzliche Einnahmen generieren“, ordnet AVL-Projektleiter Alexander Ulz ein.


Ronny Fritsche, Leiter der Grundlagenentwicklung (Grid Technologies) bei Siemens Energy, betont: „Der Austausch mit Industrien, die wir bislang noch nicht so intensiv kennen, öffnet unseren Horizont und gibt uns die Möglichkeit, anders zu denken. Als Unternehmen, das in einem sehr konventionellen Produktumfeld agiert, sind Innovationsimpulse und Out-of-the-Box-Denken essenziell, um neue Wege zu finden. Ein Beispiel dafür ist Crowd Energy – ein Konzept, das direkt mit dem zusammenhängt, wofür Siemens Energy steht: die kosteneffiziente Bereitstellung und Nutzung von Energie.“
Energie als Mitarbeiter-Benefit
Der Senkung von Energiekosten hat sich auch das Projekt „Gemeinsam Watt bewegen“ verschrieben: Der Schlüssel dazu liegt in der intelligenten Verknüpfung von Energiebedarf und Überschüssen. Durch einen virtuellen Zusammenschluss können Standorte, Unternehmen, Mitarbeiter oder Gemeinden ihren Energieverbrauch gemeinsam optimieren. Dabei wird bilanziell erfasst, wer wann wie viel erneuerbare Energie zur Verfügung hat – und wer sie gerade braucht. So lässt sich überschüssige Energie gezielt weitergeben, anstatt sie ungenutzt zu lassen.
Ein Beispiel, wie das System funktioniert: Ein Mitarbeiter mit einer Photovoltaikanlage produziert tagsüber mehr Strom, als er selbst verbraucht. Während seiner Arbeitszeit speist er diesen Überschuss ins Unternehmen ein – genau dann, wenn dort für die Produktion besonders viel Energie benötigt wird.
Umgekehrt kann das Unternehmen seinen Mitarbeitern am Abend oder am Wochenende günstigen Strom zur Verfügung stellen. Wenn die Maschinen stillstehen und weniger Energie gebraucht wird, können Mitarbeiter ihre Elektroautos laden oder den Haushalt kostengünstig mit erneuerbarem Strom versorgen. Durch diesen bilanzielle Energieaustausch wird nicht nur die Netzbelastung reduziert, sondern auch die Stromkosten für beide Seiten gesenkt. Gleichzeitig entsteht ein neuer Mitarbeiter-Benefit: Unternehmen können günstige, nachhaltige Energie als Teil ihres Vergütungspakets anbieten.
Dokumentation des Lebenszyklus
Das Projekt „An Asset’s Life” ermöglicht Produktinformationen über den gesamten Lebenszyklus hinweg zu dokumentieren und vor Manipulation zu schützen. Kernstück dieser Entwicklung ist der „Edge Integrated Product Pass“, ein Zusatzmodul mit NFC-Spule und einem Security-Chip, ähnlich dem eines Reisepasses.

Alle relevanten Daten werden in einem elektronischen Tresor gespeichert und können über ein Smartphone ausgelesen werden. Unternehmen können dadurch eine lückenlose Datenrückverfolgbarkeit den Zustand ihrer Produkte jederzeit nachweisen und Manipulationen verhindern. Außerdem erfolgt soll die Anbindung an den digitalen Produktpass erfolgen, dessen gesetzliche Rahmenbedingungen derzeit noch in Ausarbeitung ist.
Plattform für Erfassung bis Auswertung
Primär Start-ups als Zielgruppe adressiert ein weiteres Projekt: Jungunternehmen sammeln häufig riesige Mengen an Daten – sei es aus Mikrocontrollern, Sensoren oder vernetzten Systemen. Hier setzt „IoT in a box“ an: Statt individuelle Datensilos aufzubauen und komplexe IT-Strukturen zu entwickeln, erhalten Unternehmen eine sofort einsetzbare Plattform, die den gesamten Datenfluss von der Erfassung bis zur Auswertung abdeckt.
Für Lisa Kapeller, Innovationsmanagerin der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich, ist das Projekt ein Vorzeigebeispiel für Kollaboration: „Die Vielfalt der teilnehmenden Unternehmen und Branchen hätte vermuten lassen, dass es lange dauert, um gemeinsame Ansatzpunkte zu identifizieren. Doch genau das Gegenteil war der Fall: In kürzester Zeit wurden Synergien sichtbar, und es entstand eine konstruktive Dynamik. Dieses Set-up und das gesamte Format bieten großes Potenzial, um weiterentwickelt und auch in Oberösterreich angewendet zu werden.“
Nun prüfen die Unternehmen, wie die Projekte strategisch am besten umgesetzt werden können. Gleichzeitig treibt die Creator’s Expedition der AVL bereits die nächste Phase voran und erweitert den Kreis der Innovatoren – weitere Innovationsformate sind bereits in Planung.
Mehr Infos zur Creator’s Expedition finden Sie hier.