Die VTU-Gruppe rollt aktuell eine unternehmensweite KI-Lösung für Dokumenten- und Prozessmanagement aus. Basierend auf der Technologie von Leftshift One erhalten 1.200 Mitarbeitende in sieben Ländern erstmals KI-gestützten Zugang zu qualitätsrelevanten Dokumenten und Verfahrensanweisungen – direkt integriert in ihre digitalen Arbeitsumgebungen.
GRAMBACH/GRAZ. Wenn Technologiekonzern VTU, mit Hauptsitz im steirischen Grambach, hochkomplexe Anlagen plant und realisiert, sind lückenlose Dokumentation und präzise Abläufe unverzichtbar. Jeder Prozessschritt unterliegt strengen regulatorischen Vorgaben – Abweichungen vom klar definierten Standardprozedere sind keine Option. Immerhin hängt davon die behördliche Zulassung von Produkten und Dienstleistungen der internationalen Kunden ab – darunter globale Biotech-, Pharma- oder Chemieunternehmen wie Novartis, Evonik oder Boehringer Ingelheim.

„Wir agieren in einem streng regulierten Umfeld mit klar definierten Vorschriften. Definiert sind die daraus resultierenden hohen Anforderungen an unsere Arbeitsabläufe in spezifischen Verfahrensanweisungen, den sogenannten ‚Operating Procedures‘ (OPs), oft bis zu hundert Seiten lange Dokumente“, erklärt Karin Kaltseis, Direktor für Qualitätsmanagement bei VTU.
Strukturierte Chat-Anwendung
Vor diesem Hintergrund ist der aktuelle Schritt umso bemerkenswerter: An 34 Standorten hat der steirische Spezialist für Prozessanlagen eine unternehmensweite KI-Lösung für die Interaktion mit Unternehmensstandards ausgerollt. Basierend auf der Technologie erhalten 1.200 Mitarbeitende in sieben Ländern erstmals KI-gestützten Zugang zu den qualitätsrelevanten Dokumenten (darunter Richtlinien, Handbücher, Anleitungen und Verfahrensanweisungen) – direkt integriert in ihre digitalen Arbeitsumgebungen.


„Diese Lösung vereinfacht den Zugang zu diesen essenziellen Informationen erheblich: Statt sich durch umfangreiche Regelwerke zu arbeiten, können unsere Mitarbeitenden direkt mit der KI interagieren und in kurzer Zeit die benötigten Informationen abrufen. Was früher manuelle Suchprozesse erforderte, geschieht nun über eine strukturierte Chat-Anwendung. Das entlastet nicht nur den Arbeitsalltag, sondern trägt auch zu einer höheren Qualität und Sicherheit in unseren Abläufen bei“, betont Andreas Schumacher, Direktor für Digitalisierung und Unternehmensstrategie.
Leftshift One als Projektpartner
Für die technologische Umsetzung zeichnet der steirische KI-Pionier Leftshift One verantwortlich: „Mitarbeitende können nun Antworten auf operative Fragen erhalten. Etwa zu Reiserichtlinien, Equipment-Bestellungen oder Verhaltensregeln auf Baustellen – sämtliche interne Abläufe sind abgebildet. Die KI berücksichtigt dabei die individuellen Vorgaben einzelner Geschäftsbereiche und Standorte“, erklärt Leftshift One-Co-Gründer und Geschäftsführer Patrick Ratheiser.
Zentrale Herausforderung: Während KI-Modelle wie ChatGPT nach wie vor halluzinieren, müssen die Antworten im VTU-Umfeld in hohem Maße akkurat sein. Die eigens eingerichtete Task Force testete die KI intensiv in mehreren Phasen, führte strukturierte Abfragen durch und validierte die Antworten anhand realer Anwendungsfälle. Im insgesamt etwa zehnmonatigen Projekt – von Planung bis zur Ausrollung – habe man das Modell auf ein Niveau gebracht, „das den hohen regulatorischen Anforderungen der VTU schließlich gerecht wird“, sagt Ratheiser.
Menschliche Prüfprozesse seien dennoch weiterhin „unverzichtbar“, unterstreicht der Leftshift One-Geschäftsführer. Er sagt: „KI ist kein Ersatz, sondern eine intelligente Ergänzung bestehender Prozesse.“
„Kein magisches Orakel“
Bei den Mitarbeitenden komme die neue Lösung „grundsätzlich gut an“, sagt der VTU-Digitalisierungschef. Allerdings: Natürlich brauche es aber Zeit, „um alle davon zu überzeugen und die Vorteile sichtbar zu machen.“ Für Ratheiser nachvollziehbar: „Während bei menschlichen Entscheidungen immer eine gewisse Fehlertoleranz akzeptiert wird, erwarten viele von künstlicher Intelligenz absolute Perfektion. Doch KI ist kein magisches Orakel – sie ist ein Werkzeug, das präzise auf spezifische Anforderungen trainiert werden muss.“ Dieser Aufgabe will sich das steirische Duo in den nächsten Wochen weiter verschreiben: „Außerdem werden wir auch evaluieren, in welchen weiteren Unternehmensprozessen KI-gestützte Lösungen echten Mehrwert bringen können“, so Schumacher.